Lektion 2 Definitionen

Wenn man sich mit psychischer Gesundheit beschäftigt, stößt man schnell auf unterschiedliche Fachbegriffe: Zum Beispiel auf unterschiedliche Berufsbezeichnungen für Ärzte und Therapeuten, aber auch auf unterschiedliche Therapiemethoden. In dieser Einheit wollen wir Ihnen die Unterschiede anhand der einzelnen Definitionen vorstellen und Ihnen helfen, die für Sie individuell passenden Formen zu finden.

Therapeutische Fachkräfte

Es gibt verschiedene therapeutische Anwendungen. Diese sind im Folgenden definiert und erklärt, um ein besseres Verständnis von den Unterschieden zu bekommen und herauszufinden, welche Behandlung und welcher Behandler für die individuelle Situation am passendsten ist.

Psychiater                                                                                                                                                 

Psychiater:

Arzt für die Psyche (Diagnostik, Behandlung und Erforschung von Krankheiten oder Störungen des Geistes und der Seele des Menschen); Medizinstudium und Facharztausbildung; kann auch organische Störungen behandeln oder ausschließen; Medikamente verschreiben; Psychosomatik; Schwerpunkt der Behandlung mit Medikamenten;

Wann man einen Psychiater aufsuchen sollte:

  • Genaue Abklärung einer Diagnose
  • Behandlung mit Medikamenten
  • Lange Wartezeit auf einen Psychotherapieplatz
  • Stationäre Behandlungsplanung

Psychologe                                                                            

Psychologe:

Studium der Psychologie; Kenntnis der Psyche und der Funktionsweise und des Zusammenspiels von Wahrnehmung, Denken, Willen, Motivation und Emotionen; ist in der Lage, dieses Verhalten zu hinterfragen

Psychotherapeut                                                              

Psychotherapeut: Psychologische Mittel: Behandlungsverfahren, deren therapeutische Wirkung auf dem Gespräch, der Handlung und der Beziehung zwischen Patient und Psychotherapeut beruht.

  • Verfahren und Methode (Tiefenpsychologie, Verhaltenstherapie, Psychoanalytik)
  • Ohne medizinische Ausbildung darf ein Psychotherapeut keine Medikamente verschreiben oder Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellen
  • Überweisung durch einen Arzt erforderlich
  • Gesprächstherapie
  • Strenge Qualifikationsanforderungen
  • Ein Psychiater wird Ihnen klar strukturierte Fragen stellen, um eine Diagnose zu erstellen.
  • Ein Psychotherapeut führt ein offenes Gespräch, baut eine Beziehung und Vertrauen zu seinem Patienten auf, um eine Diagnose zu stellen.
  • Ein Therapieabbruch birgt das Risiko, eine Folgebehandlung zu verpassen. Bevor Sie die Behandlung abbrechen, sollten Sie Ihre Gedanken im Gespräch mit dem Therapeuten äußern und Ihren Wunsch nach Veränderung gemeinsam mit ihm oder ihr verfolgen.

Therapeutische Behandlungen

Es gibt eine Reihe verschiedener professioneller Behandlungsformen für psychische Erkrankungen. Diese sind im Folgenden näher definiert und beschrieben, um einen besseren Überblick zu erhalten, und passende Behandlungsmöglichkeiten zu finden.

Psychoanalyse (S. Freud)/ Tiefenpsychologie

                                                                                                                                                                                             

Die Tiefenpsychologie verweist auf die Grundannahme: Theorie und Therapie bleiben nicht an der Oberfläche der Psyche. Das Ziel der Tiefenpsychologie ist es, die Motive eines Menschen in der Tiefe unter dem bewussten Erleben, Denken, Fühlen und Verhalten zu erkennen und zu verstehen. Die Therapie erstreckt sich über einen Zeitraum von 3-5 Jahren (2-3 Sitzungen in der Woche - je 50 Min.).

In der Psychoanalyse begibt man sich auf die Suche nach Motiven: Sehnsüchte, Phantasien und schwelende Konflikte, die in jungen Jahren aus verschiedenen Gründen aus dem bewussten Erleben verschwinden mussten. Auch Erinnerungsspuren an Erfahrungen, die sich tief in die Seele eines Menschen eingeprägt haben, werden erforscht. Diese Motive bestimmen unser Bild von uns selbst und von der Welt um uns herum. Nicht selten erleben wir aktuelle Situationen und Ereignisse als eine Wiederholung alter Geschichten. Unsere Vergangenheit bestimmt also unsere Gegenwart. Diese Form hilft, die Störung zu verstehen und dadurch in Situationen anders reagieren zu können. Oft liegen die Wurzeln der Symptome bereits in der Kindheit.

Die Psychoanalyse umfasst nicht nur die klassische Psychoanalyse, sondern auch andere Methoden, wie z.B:

  • die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
  • die tiefenpsychologisch fundierte Kurzzeittherapie
  • die tiefenpsychologisch fundierte Gruppentherapie

Der Patient wird ermutigt, Gedanken, Phantasien, Gefühle und Empfindungen ohne Rücksicht auf Logik, Sinn oder Moral auszudrücken. Der Analytiker verhält sich eher passiv, um dem Patienten die Möglichkeit zu geben, sich selbst zu entwickeln. Die Psychoanalyse führt zu Veränderungen durch die Rückkehr zu alten Erinnerungen und Gefühlen, die in den Tiefen des Seelenlebens verborgen sind.

Ziel ist es, frühe Konflikte und Traumata aufzudecken und den Kern des jeweiligen Problems zu identifizieren. Konflikte werden aufgearbeitet und verstanden. Dabei geht es nicht unbedingt um die Heilung von Symptomen, sondern um eine grundlegende Einsicht, Persönlichkeitsveränderung und Reifung.

Diese Form ist sinnvoll, wenn es ratsam erscheint, die Therapie mit den aktuellen Konflikten und Belastungen eines Patienten zu beginnen. Die Beziehung zwischen Patient und Therapeut wird als Modell für Beziehungen und Erfahrungen im realen Leben des Patienten bearbeitet.

Ziel: Beseitigung oder Verbesserung der aktuellen Beschwerden. Weitergehende Veränderungen in der Persönlichkeitsstruktur werden nicht angestrebt.

Kurzzeittherapien arbeiten an einem bestimmten Problem, Schwerpunkt oder Konflikt, der in den ersten Sitzungen auftaucht.

Die Anzahl der Stunden ist auf etwa 10-40 Stunden begrenzt. Diese Form wird häufig für die Erstellung von Gutachten oder bei schwerem Leiden/Krisenintervention eingesetzt, wenn ein längeres Genehmigungsverfahren unzumutbar erscheint. Oft schließt sich eine längerfristige Psychotherapie an.

Die Gruppentherapie entstand aus der Notwendigkeit, möglichst viele Patienten psychotherapeutisch zu betreuen, und ist speziell auf bestimmte Probleme und Störungen ausgerichtet. Der Therapeut behandelt die gesamte Gruppe und spricht hauptsächlich über das Gruppengeschehen. Nur in Ausnahmefällen wird auf das Erleben des Einzelnen eingegangen. Oft bestehen die Gruppen aus 5-10 Teilnehmern und die Sitzungen finden wöchentlich für etwa 1,5 Stunden statt.

Alle tiefenpsychologischen Therapiemethoden nutzen den Faktor der Übertragung. In der Beziehung zu seinem Therapeuten erlebt der Patient dabei alte Beziehungen neu. Dabei überträgt er die Gefühle, Gedanken, Phantasien und Empfindungen, die er mit ihnen verbindet, auf den Therapeuten (oder die Gruppe und einzelne Gruppenmitglieder).

Dadurch kann der Therapeut Einblick in die alten Geschichten und die ausgelösten Gefühle gewinnen und die aktuelle psychische Situation verändern.

Verhaltenstherapie

                                                                          

  • Ganzheitliche Betrachtung des Menschen mit seiner individuellen, aktuellen sozialen und familiären Situation und seiner persönlichen Geschichte
  • Arbeit an unbewussten Motiven, an Fehlhaltungen im Denken und Handeln und an gestörten Beziehungsmustern
  • 20-45 Sitzungen (ca. 50 min)
  • Aktivitätsfördernde Therapie mit dem Ziel: Schritt für Schritt mehr zu tun
  • z.B. durch Rollenspiele, Erstellen von Aktivitätsplänen und Hausaufgaben zur Erprobung im Alltag

Wichtige Modelle der Verhaltenspsychologie sind:

  • das Verstärker-Verlust-Modell (Lewinsohn)
  • das Modell der erlernten Hilflosigkeit (Seligman)
  • das kognitive Modell (Beck)

Bei allen Ansätzen, wie auch beim tiefenpsychologischen Ansatz, wird der Lebensgeschichte des Individuums eine wichtige Rolle bei der Entstehung von psychischen Erkrankungen zugeschrieben. Die Verhaltenspsychologie geht davon aus, dass die Störung Ausdruck von fehlgeleiteten Lernprozessen ist. Diese gelenkten Prozesse machen die Person anfällig für die Symptome. Angeborene Anfälligkeit und durch Lernprozesse verstärkte Anfälligkeit ergänzen sich gegenseitig.

Lernen durch Verstärkung: Jeder Mensch organisiert sein Verhalten so, dass es für ihn erfolgreich ist und somit einen Anreiz schafft, die bereits einmal eingeübten Verhaltensweisen zu wiederholen. Das Verstärkermodell macht sich diese Annahme zunutze. Neue Verhaltensweisen werden ausprobiert, um einem negativen Teufelskreis zu entkommen und wieder positive Erfahrungen zu sammeln.

Auch bei diesem Modell geht es um Lernen: Der Erkrankte hat in seiner Lebensgeschichte gelernt – sei es durch ein schlimmes Erlebnis oder durch viele Ereignisse, die für ihn unkontrollierbar und undurchschaubar blieben -, Situationen, Menschen und Ereignissen hilflos ausgeliefert zu sein. Er hat die Erfahrung gemacht, dass, egal was er tut, die Folgen seines Handelns außerhalb seiner Kontrolle liegen. Dieses Modell will diese Denk- und Erfahrungsweise durchbrechen und Situationen aufzeigen, in denen der Betroffene sehr wohl Einfluss nehmen kann.

Die kognitive Verhaltenstherapie geht davon aus, dass negative Gedanken die Ursache für negative Gefühle sind. Beispiel: Ich denke, ich bin unfähig und minderwertig, also fühle ich mich wertlos, unfähig und minderwertig. So haben die Menschen gelernt zu denken, und dieses Bild bestimmt, wie sie die Dinge sehen. Typische Denkfehler sind: Falsche Verallgemeinerung, falsche Schlussfolgerungen, selektive Wahrnehmung, Personalisierung, Maximierung/Minimierung, Denken in Schwarz-Weiß-Mustern.

Dieses Modell zielt darauf ab, diese Denkmuster zu verändern und zu durchbrechen.

Welche Behandlungsform für wen?

Generell lässt sich auf der Grundlage der heutigen Forschungsergebnisse sagen, dass sich speziell entwickelte Verfahren am besten für die Behandlung einer bestimmten Krankheit eignen. So wurde beispielsweise die kognitive Verhaltenstherapie speziell für depressive Störungen entwickelt und hat sich als sehr erfolgreich erwiesen. Dennoch hängen die geeignete Therapiemethode und ihr Erfolg immer von individuellen Faktoren ab. Die wichtigsten Faktoren sind das Vertrauen des Patienten in die gewählte Methode und seine Fähigkeit zur Mitarbeit. Neben den oben vorgestellten Methoden gibt es noch weitere. Wir wollten Ihnen nur einen Überblick über die gängigsten geben.

  • Brauche ich eine persönliche Beziehung, Blickkontakt und Einfühlungsvermögen beim Therapeuten, um mich angenommen zu fühlen?
  • Möchte ich eine tiefe Selbsterkenntnis erlangen, die durch eine langfristige Analyse angestrebt wird?
  • Brauche ich einen Berater, der mir sagt, „wohin ich gehen soll“, wie bei dem direktiven Ansatz eines Verhaltenstherapeuten?

Achten Sie bei der Erstberatung auf Ihr Bauchgefühl.

Manchmal wird für bestimmte psychische Störungen eine bestimmte Art der Behandlung empfohlen, besprechen Sie dies mit Ihrem Therapeuten.